Depressionen
„Jemanden zu lieben, der Depressionen hat, ist wie London. Es ist die tollste Stadt der Welt, aber es regnet jeden Tag.“ ~ Sophie Manleitner ~
Ein Vor-Augen-Halten des Leitbildes, welches im Englischen so griffig mit „mind meets brain“ (sinngemäß übersetzt „die Seele trifft sich im Gehirn) ausgedrückt wird, hilft dabei, die Seele von psychisch kranken Menschen verstehen zu können. „Mind meets brain“ bedeutet, dass, unter neurobiologischem Aspekt, seelische Vorgänge, welche dem nicht-stoffgebunden Bereich zugordnet werden, durch Vorgänge im Gehirn charakterisiert sind. Wenngleich sich die psychiatrische Forschung heutzutage vorwiegend durch Ergebnisse der „Neuroscience“ darstellt, dürfen die psychiatrischen und psychotherapeutischen Erkenntnisse der vergangenen 100 Jahre, die insbesondere auch in Wien errungen wurden, nicht vergessen werden. Umgekehrt aber dürfen die jüngsten Ergebnisse der Neurowissenschaften nicht missachtet werden, vielmehr sollen die Ergebnisse der Neurowissenschaften und die Kenntnisse der Psychiatrie und Psychotherapie zusammen spielen.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Depression. Was ist das?
„Die Depression ist das Totenreich der Lebendigen!“ ~ Thomas S. Lutter ~
„Depressionen sind das berüchtigte ›Schwarze Loch‹, daß (sic!) alle Freude, jedes Glück verschlingt.“ ~ Birgit Ramlow ~
eigenes Bild; Venedig Karneval
Der Terminus „Depression“ hat sich im alltäglichen Sprachgebrauch dermaßen etabliert, dass er nahezu beliebig verwendet wird. Kaum leidet jemand an einer niedergedrückten Stimmung, wird er auch schon als „depressiv“ bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich jedoch bei einer Depression um eine ernst zu nehmende Erkrankung, wenngleich der Übergang zwischen „normaler“ Niedergeschlagenheit und Depression fließend ist. Das Hauptmerkmal ist die seelische Niedergeschlagenheit, für die kein äußerer auslösender Grund erkennbar bzw. vorhanden sein muss. Das ist der Grund, der es auch dem Umfeld des/der Betroffenen so schwer macht, das innere Leid nachvollziehen zu können. Oftmals wird die Depression auch als Persönlichkeitszug missdeutet, der vom/von der Betroffenen hinzunehmen sei.
Depressionen sind heutzutage sehr gut behandelbar. Die Diagnosestellung erfolgt anhand einheitlicher, nachvollziehbarer Kriterien von Manualen, wobei sowohl der depressiven Verstimmung als auch der Antriebsstörung sowie der Hoffnungslosigkeit große Bedeutung zugemessen wird und der Zustand mindestens vierzehn Tage andauern muss.
eigenes Bild; Paris Montmartre
Verstimmung vs. Depression
Verstimmung und Trauer, Phasen der Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, der inneren Erschöpfung und Verzagtheit, sind normale Reaktionen der Psyche auf Ereignisse, wie z. B. Verlust, Trennung, berufliche Misserfolge, private Enttäuschungen. Das Stimmungstief steht zumeist in engem Zusammenhang mit dem Ereignis, das als belastend erlebt wird. Lässt der Schmerz und/oder die Belastung nach, so hellt sich auch die Stimmung wieder auf. Im medizinischen Sinn wird die Depression von den umgangssprachlich verwendeten Begriffen wie „deprimierend“ oder „depressiv“ abgegrenzt, d. h. auch wenn der Übergang von einer normalen Verstimmung zu einer pathologischen depressiven Episode fließend ist, wird eine klare Unterscheidung getroffen. Die Depression im medizinischen Sinn stellt ein ernst zunehmendes Störbild dar, das einer Behandlung bedarf, welches sich jedoch meist gut behandeln lässt.
eigenes Bild; Berlin H. P. Adamsik
Merkmale einer Depression
Die gedrückte Stimmungslage, Interessen- und Freudlosigkeit sowie Antriebsminderung stehen im Vordergrund, welche sich häufig über einen langen Zeitraum zeigen. Ein Charakteristikum ist auch, dass die Niedergeschlagenheit „ohne Grund“ auftritt. Von Depression Betroffene lassen sich nicht aufheitern, berichten über Angstgefühle, Hoffnungslosigkeit, einen Zustand der Gefühllosigkeit, der inneren Leere, viele haben das ständige Bedürfnis zu weinen. Bei machen Betroffenen kommt es hingegen zu einer ängstlichen Anspannung und Unruhe.
Oft wird die Erkrankung von Betroffenen als Folge persönlichen Versagens angesehen, d. h. sie glauben, in irgendeiner Weise selbst für die Depression verantwortlich zu sein. Betroffene werden häufig von starken Schuldgefühlen geplagt und leiden zudem unter einem mangelnden Selbstwertgefühl. Zudem machen sich vielmals Konzentrationsstörungen bemerkbar - Betroffene klagen über Gedächtnislücken, nachlassendes Denkvermögen. Sprechen und Denken können verlangsamt sein. Auch wiederkehrende Gedanken über Suizid stehen häufig im Vordergrund. Zudem zeigt sich zeitweilig bei manchen Betroffenen Wahn, z. B. Schuld- oder Verarmungswahn.
Ein weiteres Charakteristikum für eine Depression ist die Veränderung des Biorhythmus: es kommt zu Schlafstörungen, z. B. in Form von frühzeitigem Erwachen, dem Grübeln folgt. Die Stimmung ist tageszeitlichen Schwankungen unterworfen: am Morgen und am Vormittag sind die Symptome am stärksten ausgeprägt („morgendliches Pessimum“), am Nachmittag hellt die Stimmung zumeist auf. Darüber hinaus kann es zu einer Appetitminderung und einer Abnahme von sexuellen Interessen kommen. Körperliche Symptome, wie beispielsweise Kopf- oder Rückenschmerzen, Herzrasen, Druckgefühl in der Brust, Völlegefühl, können durch eine Depression ausgelöst oder verstärkt werden.
Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass die Depression in Zukunft die am häufigsten gestellte Diagnose sein wird und die daraus resultierenden psychosozialen Behinderungen mit kardiovaskulären Erkrankungen vergleichbar sein werden. Depressive Störungen sind weltweit die häufigste Ursache für Erwerbsunfähigkeit sowie Hauptursache für Suizide. Laut Untersuchungen leiden ca. 15 % aller Patient/inn/en, die eine Hausarztpraxis aufsuchen, unter einer Depression unterschiedlichen Schweregrades. Tatsächlich wird jedoch nur ein geringer Prozentsatz der von einer Depression Betroffenen mit einer adäquaten, zeitgerechten Therapie behandelt. Das sog. „Depressionsgedächtnis“ gewirkt, dass sich die Depression umso stärker ausbildet je länger sie unbehandelt bleibt. Mit modernen Antidepressiva sind Depressionen gut behandelbar.
Symptome einer Depression im Überblick
• Antriebslosigkeit
• innere Unruhe, Schlafstörungen
• fehlende Lebensfreude
• innere Leere, Traurigkeit
• vermindertes Selbstwertgefühl
• schwindende Interessen
• Konzentrationsschwäche/-störung
• Unentschlossenheit
• Schuldgefühle, Selbstanklagen
• Suizidgedanken
„Die Seele ist ganz unten" - die Depression ist für mich wie das Gefühl in einer Luftblase auf den Grunde des Meers zu sinken, der Druck um mich herum wird immer größer, doch ich habe noch immer genug Luft zum Atmen. Ich kann nicht entweichen, wenn ich entweiche, werde ich untergehen. Das Erkennen der Depression ist das Ankommen der Luftblase auf dem Grunde des Meeres, von dem Moment an steigt man wieder aufwärts, man weiß man steigt auf, der Druck läßt nach und man sieht wieder Licht durch die Wasseroberfläche dringen. Und ich weiß auch, wenn ich jetzt der Luftblase entweiche, werde ich von selbst an die Oberfläche zurückkommen. Nach zwei Jahren Psychoanalyse habe ich endlich wieder das Gefühl durch eigene Kraft meinen Kopf über das Wasser halten zu können und frische Luft zu atmen. Und es ist ein Gefühl, daß (sic!) ich mich sogar getraue „Glück" zu nennen.
~ Andrea Kaltofen ~
eigenes Bild; Wien Steinhofgründe
Therapie der Depression
Zur Therapie der Depression steht ein breites Spektrum an Medikamenten zur Verfügung, wobei die sog. SSRI (selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren; selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) bevorzugt eingesetzt werden und welche den Botenstoff Serotonin, welcher bei der Depression im Gehirn stark vermindert ist, wieder auf ein normales Niveau bringen. Die Kombination medikamentöse Behandlung und Psychotherapie hat sich als besonders wirksam erwiesen.
Resümeé und Ausblick
Depressionen gehören, gemeinsam mit den kardiovaskulären Erkrankungen, zu den häufigsten Erkrankungen. Die WHO kommt aufgrund von epidemiologischen Studien zum Schluss, dass die Depression zukünftig die am häufigsten gestellte Diagnose sein wird, was ein großes gesellschaftliches Gesundheitsproblem darstellen wird. Verantwortlich werden dafür die Veränderungen der Lebensumstände gemacht, wie der Zerfall der Nuklearfamilien und die zunehmende Informationsvergiftung, die steigenden, auf den Menschen einströmenden Anforderungen - schneller, effizienter, „entmenschlichter“ - „man kann jedes Gehirn depressiv machen!“
In den vergangenen zwanzig Jahren wurden erfreulicherweise große Fortschritte im Verständnis für die depressive Erkrankung sowie in der Diagnostik und Therapie gemacht. Die Entwicklung moderner Psychopharmaka, die eine nebenwirkungsarme, effektive Therapie ermöglichen, sowie die spezifischen Psychotherapiemethoden ermöglichen einen praxisnahen Umgang. Erfreulich wäre, wenn Nestroys Ausspruch „Was nicht sein darf, ist nicht“ relativiert und dadurch der medizinischen Zugang, wie er z. B. bei den kardiovaskulären Erkrankungen besteht, für Betroffene von Depressionen bewirkt werden würde.
„Zahlen lügen nicht. Die grundlosen Depressionen nehmen weltweit zu. Und zwar um jährlich durchschnittlich 100 %! Und kein Aas (0,00 Prozent) weiß warum. Zwei Drittel aller Befragten haben Angst. Über 90 % von ihnen wissen aber nicht genau wovor. Dennoch will die erdrückende Mehrheit (88 %) weiterleben. Von ihnen wissen allerdings 39 % nicht, wovon. Auf die Frage nach dem Sinn des ungeborenen Lebens zuckten 98 % aller Befragten die Schultern. 2 % wußten (sic!) auf diese Frage gar keine Antwort.“ ~ Wolfgang Mocker ~
eigenes Bild; Wien Otto Wagner Krankenhaus
Psychiatrisches und psychotherapeutisches Credo von Viktor Frankl
„Nie kann der ganze Mensch zerbrechen.“ „Die geistige Person ist störbar, aber nicht zerstörbar (…), die Geistesbegabung des Menschen (…) ist immer heil und intakt“. „Wenn es nicht so wäre, dass die geistige Person auch noch hinter der Verbarrikadierung (…) vorhanden wäre, wenn auch noch so sehr zu (…) Ohnmacht verurteilt, (…), dann stünde es nicht dafür, Psychiater zu sein.“ (…) „Und die geistige Person ist wesentlich dasjenige, was sich aller psychophysischen Morbidität entgegenzustemmen vermag, und wäre dem nicht so, so könnte ich nicht Psychiater sein: es wäre nutzlos.“ (Frankl, V., Der leidende Mensch)
Vgl. Kasper, Siegfried, Prof. und Ordinarius für Psychiatrie an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien, Vortrag Depressionen erkennen und behandeln, Viktor Frankl Zentrum Wien, Zentrum für Sinn- und Existenzfragen.
eigenes Bild; Paris Catacombes