Werde zu dem Menschen, der in dir steckt! Wer war Sonja Knips?

"Wenn wir, sagtest du, die Menschen nur nehmen, wie sie sind,

so machen wir sie schlechter.

Wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten,

so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind."

~ Johann Wolfgang von Goethe ~

Wer war Sonja Knips, die der Maler Gustav Klimt in einem Gemälde festgehalten hat?

Sonja Knips, geborene Sophia Amalia Maria Freifrau Potier des Echselles, wurde am 2. Dezember 1873 geboren. Sie entsprang einer alten, angesehenen österreichischen Offiziersfamilie namens Potier, welche usprünglich aus Belgien kam und deren Stammbaum sich bis in Jahr 1745 zurückverfolgen lässt. Sonjas Großvater Leoplod Potier, Offizier, wurde aufgrund seiner Tapferkeit bei der Schlacht von St. Julien und Les Echeles 1814 in den Adelsstand erhoben, durfte sich fortan "Potier Les Echeles" nennen.

Sonja wurde in Lemberg geboren, wo ihr Vater, ebenso wie Sonjas Großvater Offizier, stationiert war. Die Familie war reich an adeligem Blut, jedoch arm an Geld. Sonja, die tatsächlich Sophia hieß, musste einen Beruf erlernen. Sie besuchte das Lehrerinnenseminar, arbeite danach als Gesellschafterin: Sie verbrachte ihre Nachmittage mit Vorlesen sowie dem Führen von Konversationen bei der alteingesessenenen Wiener Familie Krassl-Traissenegg, welche, gemeinsam mit dem aus Sachsen stammenden Anton Knips, ein Eisenwerk, die Firma Petzold & Co., führten. In Anton Knips lernte Sonja ihren späteren Ehemann kennen, den sie 1896 in der Augustinerkirche heiratete und mit ihm gemeinsam eine Wohnung in der Gumpendorferstraße bezog. Diese Wohnung ließ Sonja 1903, im Gründungsjahr der Wiener Werkstätte, von Josef Hoffmann neu einrichten.

Wie viele Ehen dieser Zeit wurde auch diese unter dem Aspekt "Adel zu Geld" geschlossen. Das von Beginn an ungleiche Paar hatte keine gemeinsamen Berührungspunkte, dennoch blieb die eheliche Gemeinschaft bis zum Tod von Anton aufrecht. Während Anton Knips ein Stadtmensch war, schätzte Sonja ausgedehnte Spaziergänge und zog ein Leben am Stadtrand jenem im Zentrum Wiens vor. In ihrer Ehe existierte keine patriarchalische Herrschaft: Sonja Knips strebte nach Emanzipation im Sinne von Selbstständigkeit und ging sehr bald ihren eigenen Interessen nach.

1898 entstand ihr Portrait, gemalt von Gustav Klimt. Ob die beiden eine Liebesbeziehung hatten? Möglich wäre es!

Anton Knips war freundlich, unauffällig, schlicht: ein Kaufmann, der für seine Firma lebte. Für das, was seine Frau tat, interessierte er sich nicht, der Industrielle teilte weder ihr gesellschaftliches Engagement, noch ihre Begeisterung für moderne Kunst, für junge Künstler und noch viel weniger für die damit verbundenen Ausgaben.

Ihre Liebe zur Kunst von Gustav Klimt, ihre Vorliebe für die Produkte der Wiener Werkstätte und für den Gedanken des Gesamtkunstwerkes ließen Sonja Knips zu einer der herausragenden Persönlichkeiten im Wien des frühen 20. Jahrhunderts werden. Durch ihre Unbeirrbarkeit und ihr Engagement brachte sie die Wiener Moderne mit auf den Weg.

Ihrer Rolle als Förderin der Wiener Werkstättenkunst wurde sie durch Erteilung erster Aufträge gerecht, ein besonders von ihr geschätzter Künstler war der Architekt Josef Hoffman. Den Anfang machten die Renovierungsarbeiten, die Modernisierung, der Wohnung des Ehepaars Knips in der Gumpendorferstraße in Wien, später baute Hoffman für Sonja Knips ein komplett auf ihre Bedürfnisse und Vorlieben ausgerichtetes Landhaus im kleinen Örtchen Seeboden in Kärntern und eine Villa in der Nusswaldgasse in Wien. Zuletzt wurde Hoffmann mit der Gestaltung der Familiengrabstätte am Hietzinger Friedhof betraut.

Weiterführender Link (Kunst und Kultur in Wien): http://www.viennatouristguide.at/Friedhoefe/Hietzing/Graeber/knips.htm

Sonja Knips starb 85jährig an den Folgen eines Herzinfarktes in ihrem Landhaus in Seeboden (vgl. Miller, Manu von (2004): Sonja Knips und die Wiener Moderne. Gustav Klimt, Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte gestalten eine Lebenswelt, Verlag Brandstätter).

Boglarka Hadinger, österreichische Psychotherapeutin, Psychologin, Autorin, Lehrtherapeutin in Logotherapie und Existenzanalyse und Leiterin des Institutes für Logotherapie und Existenzanalyse Tübingen/Wien, zeit dem Leser und der Leserin anhand des Beispiels der Sonja Knips nachfolgend zwei Phänomene auf:

Beim 1. Phänomen handelte es sich darum, dass manche Menschen die Gabe haben, einen anderen Menschen im Blick auf dessen positive Wesenszüge - im Blick darauf, was in ihm an Möglichkeiten steckt - zu durchschauen.

Beim 2. Phänomen handelt es sich darum, dass ein Mensch eine Tendenz dazu zeigt, dem Bild, das ein wichtiger anderer Mensch von ihm hat, mit der Zeit immer ähnlicher zu werden.

Im Anhang finden Sie vier Bilder:

1. Das erste Bild in eine Photografie von Sonja Knips und zeigt sie mit leerem Blick, ihre Körperhaltung ist ohne Spannung. Die Schwerkraft ihres Gemütes ist sowohl in den Gesichtszügen als auch in der gesamten Haltung spürbar. Sie ist eine behäbige, keine besonders "spannende" Frau. Sonja Knips, depressiv und oft krank, unglücklich mit einem wohlhabenden Mann verheiratet, ist zum Zeitpunkt der Aufnahme 24 Jahre alt.

Da die gesundheitliche Lage von Sonja besorgniserregend ist, beauftragt ihr Ehemann den berühmten Maler des Jugendstils, Gustav Klimt, von der jungen Frau für die Ahnengalerie ein Bildnis zu erstellen. Zeitgleich mit dem Fototermin im Jahr 1898 beginnt Klimt sein Ölgemälde zu malen. Er braucht viele Monate, beinahe ein Jahr, bis das Bild fertiggestellt ist. In dieser Zeit trifft er sich oft mit seinem Modell, er will das Besondere an ihrem Wesen erfassen und genau das sichtbar machen.

2. Das Ölbild entsteht im selben Jahr wie die Fotografie "Sonja Knips mit Hund". Sonja saß ihm im, von Klimt bewusst ausgewählten, Tüllkleid in leichten Feenfarben Modell. Klimt wollte durch die Stimmung der Farben des Kleides, des Hintergrundes, durch ihre Körperhaltung, Sonjas Charakter zum Ausdruck bringen. Und durch ihren Blick. Auf dem Bild ist ein aufmerksames, kluges Gesicht zu sehen, eine junge Frau, die gerade im Begriff ist, aufzustehen. Ihre Haltung ist aufrecht. Leichtigkeit, Aufmerksamkeit, "Schwerelosigkeit" und eine interessante Spannung zeichnen sie aus.

3. Das dritte Bild zeigt ein Zimmer der Familie Knips in der Villa in Döbling. Das Bild hängt an zentraler Stelle des Raums. Sonja geht Tag für Tag an diesem Ölbild vorbei, jahrelang sieht sie sich so, wie der Maler sie sah.

4. Viertes Bild: Zehn Jahre später. Im Jahr 1908 wird Sonja Knips wieder fotografiert. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt!

Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen, die der Sonja Knips auf dem Ölbild viel mehr ähnelt als derjenigen auf der Fotografie. Sie sieht jünger als vor 10 Jahren aus. Ihre Körperhaltung ist aufrecht, ihr Gesicht wirkt aufmerksam und klug. Eine schöne, ausdrucksstarke, junge Frau.

Nicht nur der Ausdruck, auch ihr Leben hat sich verändert: sie ist nicht mehr kränklich und depressiv. Sie gehört zu jenen Frauen, die Wiens interessanteste Jour-Fix-Gespräche leiten. In der Zeit der Wiener Sezession setzt sie sich für die Verwirklichung einer besonderen Idee ein, nämlich für die Idee, dass Kunst für alle Menschen zugänglich gemacht werden soll. Sonja Knips ist zu dieser Zeit die charakterstarke, in sich ruhende Persönlichkeit geworden, sie hat ihren Lebensinhalt gefunden. Man kann sich die Frage, welche Rolle dabei der Blick Klimts gespielt hat, stellen.

"Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminent psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert. Wer um einen Sinn seines Lebens weiß, dem verhilft dieses Bewusstsein mehr als alles andere dazu, äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden zu überwinden."

~ Viktor Frankl ~

Sonja Knips 1898

Bildnis Sonja Knips 1898, Gustav Klimt

Villa Knips in Döbling, Speisezimmer

Sonja Knips 1908, 34 Jahre alt

"Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet." David Hume

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