Ohne auf die philosophische Bedeutung des Begriffs „Bedingung“, die auf „hinreichend“ und „notwendig“ verweist, einzugehen, kann man es sich einfacher machen: Eine Bedingung ist – auf einen einfachen Nenner gebracht – eine geforderte Voraussetzung, die gegeben sein muss, damit etwas anderes geschehen kann.
Derzeit wird bekannterweise die Wiederholung der BP-Stichwahl vorbereitet. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis, mit dem die erste Stichwahl aufgehoben wurde, die rechtsgültige Verfügung getroffen, die Wiederholung müsse zu d e n s e l b e n Bedingungen abgehalten werden, wie sie bei der ersten Stichwahl galten. Man kann dieses Erkenntnis kritisieren, man kann es vielleicht sogar erfolgreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anfechten, letztlich handelt es sich aber doch um ein Erkenntnis der verfassungsmäßig obersten Gerichtsbarkeit Österreichs, vom Volk beauftragt darüber zu wachen, dass die vom Volk beschlossenen Gesetze die Regeln der Verfassung (bekanntlich auch vom Volk beschlossen) nicht verletzen. Und – solange dieses Erkenntnis nicht aufgehoben wird, gilt es!
Es wäre interessant zu erfahren, warum die Parteien, dies gilt für SPÖ, ÖVP, Grüne, NEOS und Team Stronach, – ob die Freiheitlichen dem auch zustimmen, entzieht sich meiner Kenntnis – übereingekommen sind, diese Vorgabe w i s s e n t l i c h zu missachten, und so dem hinkünftigen Verlierer einen weiteres Mal einen „Anfechtungsgrund“ zu liefern.
Bei der Ausführung der ersten Stichwahl wurden – nach Ansicht des Verf.GH – maßgebliche Vorgaben des Wahlrechts missachtet. Dass nun gerade diejenigen dies als Anfechtungsgrund geltend machen, die zuvor zumindest mithalfen, diese gesetzlichen Bestimmungen zu brechen, – die FPÖ-Beisitzer – hat etwas von unfreiwilliger – wenn nicht gar tragischer – Komik.
Dass die anderen Parteien die Taktik der FPÖ nun zu toppen versuchen, indem sie eine von vornherein regelwidrig angelegte Wahl durchführen lassen, – das Zugrundelegen eines „neuen Wählerverzeichnisses“ stellt meiner Meinung nach eine solche Regelwidrigkeit dar – ist nicht nur weniger komisch, es führt das Land voraussichtlich in ein weiteres Wahl-Chaos mit nicht zu unterschätzenden Folgen für die Demokratie.
Das beliebte – aber dennoch falsche – Argument, man könne dieselben Bedingungen ohnehin nicht einhalten, weil viele der damaligen Wähler inzwischen verstorben seien, trifft den Kern der Sache überhaupt nicht, denn es dehnt den Begriff „Bedingung“ in unzulässiger Weise auf Bereiche aus, die als Bedingungsfolgen über den Begriff selbst hinausreichen. Die abstrakte Bedingung „Wahlstichtag“ sagt nichts aus über die tatsächliche Anzahl oder die Möglichkeiten der Wahlberechtigten. Die Bedingung: Erreichen des Wahlalters zum Wahlstichtag haben bei der ersten Wahl zwar mehr Menschen erfüllen können, als es bei der Wiederholung der Wahl im Dezember der Fall sein würde, das ist richtig, aber bedeutungslos; die Bedingung (Wahlstichtag) selbst muss aber dieselbe bleiben. Das ist es, was der Verfassungsgerichtshof fordert. Der Bedeutungsgehalt des Begriff „dieselben Bedingungen“ umfasst in diesem Fall nicht die Bedeutung: „dieselben Personen“.
Die Veränderung des Wahlstichtages für die Wahlberechtigung, um den inzwischen sechzehnjährig gewordenen Staatsbürgern, die Möglichkeit der Wahl zu eröffnen, läuft dem Erkenntnis des Verf.GH zuwider und liefert dem künftigen Wahlverlierer auf diese Weise neuerlich einen tragfähigen Anfechtungsgrund. Diese Tatsache sollte man einem Sechzehnjährigen durchaus erklären können. Wenn man allerdings der Auffassung sein sollte, diese rechtliche Tatsache einem Sechzehnjährigen nicht vermitteln zu können, sollte man sich doppelt und dreifach überlegen, ob es angemessen ist, diesen jungen Menschen das Wahlrecht zu geben.
Die österreichische Politik ist auf gutem Weg, sich ein weiters Mal zu blamieren.