Zu einem Text vonEren Güvercin 17.11.2015 | 15:23 4
Zeigt nicht mit dem Finger auf Andere!
Paris: Es gibt in Europa eine Ignoranz gegenüber Terror und Gewalt in anderen Teilen der Welt. Aber auch für Muslime ist es Zeit für unangenehme Selbstkritik, meint unser Autor
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/zeigt-nicht-mit-dem-finger-auf-andere
Ein Zitat daraus:“Einige aber, darunter viele Muslime, stellen sich die Frage, warum kollektive Anteilnahme mit den Opfern in Paris herrscht, die täglichen Opfer des IS in der arabischen Welt nur marginal wahrgenommen werden.”
Vielleicht könnte man die Frage folgendermaßen beantworten:
Ein Grund dafür, warum die Opfer der arabischen Welt (angeblich) nur marginal wahrgenommen werden, könnte darin zu finden sein, dass es sich eben um Opfer, (wie der Autor oben selbst schreibt) einer Welt handelt, die vielen tatsächlich als eine „andere” erscheint: die „arabische Welt“ eben. Diese Differenz anzunehmen, erscheint durchaus vertretbar.
Ich möchte ja auch nicht, dass sich die „arabische Welt“ in die Angelegenheiten Europas einmischt. Es gäbe ja auch gar keinen Grund für irgendwelche Opfer des westlichen Lebens-Terrors(Opfer des Ku-Klux-Klan, Opfer rechtsradikaler Umtriebe, Opfer der Bader-Meinhof-Bande, der Rote-Armee-Fraktion und was es da alles gibt und gegeben hat) Mitleidskundgebungen aus der „arabischen Welt“ einzufordern.
Für mich jedenfalls, und offensichtlich nicht nur für mich, i s t die „arabische Welt“ tatsächlich eine “andere”; eine, mit anderen Wertvorstellungen, anderen Lebenshaltungen und anderen Lebensentwürfen, in die sich die „westliche Welt“ nicht einzumischen hat. Dass mein persönliches Mitgefühl auch den arabischen, a l l e n Opfern gilt, bleibt davon unberührt. Das aktuelle „Problem“ aber müssen die Muslime, die „arabische Welt“ für sich und unter sich klären. (Deswegen halte ich auch nichts davon, dass sich die Großmächte die Funktion der “Weltpolizei” anmaßen und sich immer wieder in Dinge einmischen, die sie eigentlich nichts angehen.
Es genügt, wenn die “westliche Welt” ihre Angelegenheiten in Ordnung bringt. Das erfordert Mühe genug!
„In der kommenden Ära ist es also zur Vermeidung großer Kriege zwischen den Kulturen erforderlich, dass Kernstaaten davon absehen, bei Konflikten in anderen Kulturen zu intervenieren. Das ist eine Wahrheit, die zu akzeptieren manchen Staaten, besonders den USA, schwerfallen wird.“ (Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen, Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, S.522)
Fußnote: Die Behauptung der “marginalen Wahrnehmung” bleibt hier ungeprüft und unwidersprochen, obwohl sie nicht durch mehr als die “Wahrnehmung” des Autors belegt werden kann, darüber hinaus ist “Wahrnehmung” nicht unbedingt dadurch zu messen, dass man “Reaktionen” auf vermutete Wahrnehmungen misst – aber das wäre eine andere Diskussion, die zu führen, das grundsätzliche Problem, das hier angesprochen ist, nicht entscheidend beeinflussen würde.