Die amerikanische Wahl ist geschlagen, die Heftigkeit der Auseinandersetzungen hat etwas nachgelassen. Die Lager stehen einander nach wie vor unversöhnlich gegenüber. Zeit für ein Resümee.
Politikerpersönlichkeiten, wie sie sich aktuell in der Art Donald Trumps offenbaren, sind als Einzelperson eigentlich uninteressant. Interessant werden sie erst, wenn man sie über ihre Individualität hinaus als getreues Abbild eines gesellschaftlichen Grundübereinkommens über die gesellschaftlich bevorzugten Werte und Normen zu verstehen beginnt. Wer meint, es gehe hier ausschließlich um die Person Trump, der irrt. Es geht um den „common sense“, der ihn ermöglicht.
Und es geht um einen Typus! Es geht um einen Typus von Politikern, um einen Typus von Managern, es geht um einen Typus von „Mensch“, der sich mehr und mehr durchsetzt. Den nunmehrigen Präsidenten dafür zu geißeln, dass er so ist, wie er ist, ist zwecklos. Ebenso zwecklos ist es, ihn als Person, mit anderen, die einem sympathischer sind, zu vergleichen. Sinnvoller erschiene mir die Frage nach den strukturellen Gemeinsamkeiten, die „moderne Führungspersönlichkeiten“ aufweisen und da lautet der Befund in Anlehnung an Egon Friedell, der einen ähnlichen Sachverhalt für die Entwicklung der holländischen Kultur im 17. Jahrhundert feststellte, eindeutig: „wir leben in einer Kulturwelt, deren Protagonisten der Pfaffe und der Krämer sind.“
Dem einen sind wir bereit alles zu „glauben“, dem anderen „kaufen wir einfach jeden „Schmarrn“ ab“.
„Trumps“ sind „Pfaffe und Krämer“ in einer Person.
Eine Gesellschaft, deren Kultur in dem Maße erodiert, wie das für die westliche zu beobachten ist, kann offensichtlich gar keine anderen Persönlichkeiten mehr hervorbringen als diese, wie sie sie nun in Form von „Trumps“ hervorbringt.
Was ist es, was viele dabei so abstößt?
Vielleicht ist es die Erkenntnis, dass unsere „Trumps“ im besonderen Maße die „latenten Werte“ verkörpern, die im Hintergrund unserer westlichen Gesellschaften wirken? Im Vordergrund wird bekanntlich das hehre Licht der Aufklärung geschwenkt, viel ist von Freiheit die Rede und von Menschenrechten, von Vernunft und Verdienst, von Leistungsgesellschaft, von Wohlfahrt und anderen, das Gemüt beruhigenden menschlichen Errungenschaften; im Hintergrund wirken aber immer auch noch ganz andere Mechanismen, über die man auf der „Vorderbühne“ zwar nicht zu reden wagt, die deswegen aber keinesfalls ohne Wirkung bleiben. Es geht immer auch um Macht! Das ist leider so, in der menschlichen Natur. Es geht um Lüge und Vorteilsnahme, es geht um Einfluss und Geld.
Der Mensch liebt nicht den Guten, den Vernünftigen, er liebt den Mächtigen.
Dass die Trumpsche Personifizierung von Werten auf Elemente baut, die er selbst zu bekämpfen vorgibt, kann man als Paradoxie gelten lassen. Der Geschichte beliebt es, sich hin und wieder in Ausnahmepersönlichkeiten zu manifestieren. Es scheint ihr wieder einmal gelungen zu sein.
Man verstehe mich richtig: Es geht nicht darum, jemanden zu verurteilen.
Kann man einen Menschen verurteilen, weil er im Zuge seiner Sozialisierung zu etwas geworden ist, dem man als weltoffener Mensch Sympathie und Zustimmung eigentlich verweigern müsste? Aus „linker Sicht“ müsste man schon aufgrund der „Milieutheorie“ sehr viel Verständnis für eine solche „fehlgeleitete“ menschliche Entwicklung mitbringen.
Was aber, sollte man sich fragen, ist in einen Teil der Gesellschaft gefahren, der seine Zukunft in die Hände eines ungehobelt rüpelhaften Immobilienmaklers legt und sich von ihm als Heiland „Rettung“ in der Not erwartet?
Was muss da im „linken“ demokratischen aber auch im „rechten“ republikanischen Vorfeld alles schief gelaufen sein, wenn man meint es genüge, sich hinter dem Slogan „make America great again“ zu versammeln und alle anderen missliebigen Meinungen, einschließlich der sie vertretenden Personen, abwertend in den Dreck zu ziehen?
Ja, liebe Verteidiger Trumps, auch Obama war nicht fehlerlos. Es geht einiges auf sein Konto, das mit einem „Friedensnobelpreis“ wenig vereinbar ist. Er wurde auch mit Recht kritisiert. Diese Kritik muss sich nun aber auch Trump gefallen lassen.
Da dieses Ergebnis wie es vorliegt in einem demokratischen Verfahren zustande gekommen ist, wird sich Amerikas Linke damit abfinden müssen, einen Präsidenten zu haben, der nicht ihren Vorstellungen entspricht. Sie wird ihre politische Arbeit verbessern und auf die nächsten Wahlen hoffen müssen. Man kann natürlich schon am ersten Tag gegen diesen Mann protestieren, seinen Unmut äußern, noch bevor die ersten wirklich wichtigen staatstragenden Entscheidungen gefallen sind – ein Zeichen von politischer Reife setzt man damit allerdings nicht. Vor allem wird man die eigenen Kräfte zu früh erschöpfen. Und immer nur dann von Spaltung der Gesellschaft zu sprechen, wenn das Wahlergebnis nicht nach dem eigenen Geschmack ausgefallen ist, und diese Spaltung noch dazu selbst durch wenig zielgerichtete Demonstrationen in Form eines „Wir wollen Trump einfach nicht!“ zu betreiben, ist auch kein Zeichen besonderen politischen Verstandes.
Amerika will nicht nur demokratisch, es will immer auch groß sein. Um aber tatsächlich „groß“ zu werden, wird die USA nicht daran vorbeikommen, im demokratischen Sinn „erwachsen“ zu werden. Dabei könnte es vor allem für die „Linken“ hilfreich sein, den nachfolgenden Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren:
Es scheint ein grundlegendes Manko im Gedankenprojekt der Linken zu sein, dass sie alle Bestrebungen des Menschen, zuerst einmal an sich und erst in zweiter Linie an den Nächsten zu Denken, als grundsätzlich verwerflich betrachtet. Der Mensch muss, wenn es schon nicht den „neuen Menschen“ geben kann – so meinen sie – wenigstens gebessert werden. Er muss die eigenen individuellen Interessen möglichst vergessen, er muss ein solidarischer werden. Dass dies der menschlichen Natur – zumindest in bestimmten Situationen – auch widersprechen könnte, darauf kommt man offensichtlich nicht. Wohl aber spürt man die Auswirkungen. Alle, die diesem linken Weg nicht folgen wollen, fühlen sich ins Abseits gedrängt. Es ist aber einmal so, dass in unsicheren Zeiten, in Zeiten verknappter Ressourcen, der Mensch primär auf Selbsterhaltung programmiert ist. Dies müssen auch Linke akzeptieren lernen, wenn sie nicht beabsichtigen, „die Besorgten“ weiterhin schnurstracks in die Arme der „rechten Parteien“ zu treiben. Von der Tatsache, diesen berechtigten Egoismus als eine notwendige Haltung, als eine genetische Prädisposition zu akzeptieren, die das Überleben sichern hilft , was in politischer Form als „America first“ zu Tage tritt, hin zu nationalem „Chauvinismus“, ist doch noch ein weiter Weg.
Wie sich Amerikas Weg und Amerikas Demokratie entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Das System hat schon einige „verunglückte“ Präsidenten überdauert. Es besteht nicht ausreichend Grund anzunehmen, dass es diesmal anders laufen könnte. Dummheit wird man Trump nicht bescheinigen können, Unbildung und Grobschlächtigkeit allemal.
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