Eine Replik auf Christian Ortners: „Lasst uns doch einfach die Reichen lynchen!“ In: DiePresse, 19.Jänner 2017
Es ist auffallend, über bestimmte Themen fällt es schwer, vernünftig zu diskutieren. Eines dieser Themen, betrifft die „gerechte“ Verteilung von Vermögen und Einkommen. Dass eine unaufgeregte Diskussion zu führen, nicht einmal Journalisten gelingt, die über mehr als ausreichend Reputation verfügen, wie es für den geschätzten Herrn Ortner zutrifft, ist ein augenscheinlicher Beweis für diese These.
Während die einen, gemeint sind im besonderem Maße viele Damen und Herren der ÖVP, fast reflexhaft die christliche Religion und das in ihr festgeschriebene „Neidverbot“ bemühen, - Neid gilt bekanntlich als eine der „sieben Hauptsünden“- , versuchen die anderen, allen voran die sogenannten Neo-Liberalen, jeden Hinweis darauf, dass die Verteilung des Reichtums- sagen wir: „etwas unglücklich“ - ausgefallen ist, als ein gesellschaftliches Glück, als notwendige und nützliche Erscheinung unseres Wirtschaftslebens darzustellen. Im vorliegenden Fall wird, um sich der Diskussion darüber zu entziehen, ob eine in die Milliarden gehende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen einen negativen Einfluss auf das Zusammenleben der Menschen haben könnte oder nicht, die Absurdität einer statistischen Größe ins Treffen geführt.
Herr Ortner schreibt:
"Laut Statistik der Oesterreichischen Nationalbank verfügen rund sechs Prozent der 3,8 Millionen österreichischen Haushalte über gar kein Vermögen (oder sogar ein negatives Vermögen in Form von Schulden). All diese Haushalte zusammen verfügen somit über ein gemeinsames Vermögen von exakt null Euro. […] Der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit reicher sein als die ärmsten 240.000 Haushalte Österreichs zusammen, in denen mehr als eine halbe Million Menschen leben. Wenn das nicht ungerecht ist, was dann?"
Natürlich hat Ortner recht damit. Die Argumentation, wie sie Oxfam führt, ist zwar nicht gerade Unsinn, aber ohne Aussagekraft, mehr oder weniger rein emotional.
Die Statistik, sagt nicht das aus, was viele aus ihr ableiten. Sich darüber lustig zu machen ist das Eine, sie dazu zu verwenden, eine Diskussion – eine notwendige Diskussion - über die Verteilung des Reichtums zu führen, damit abwürgen zu helfen, ist das Andere.
So wie der Vorwurf der„Postfaktizität“ die antinomische Antwort auf „Lügenpresse!“ darstellt, so ist das Argument: Keiner wäre reicher, wäre Buffet ärmer“ als „Problem-Verschleierung“ zu beurteilen. Natürlich hat Ortner auch mit seiner Behauptung recht, die wirklich Reichen: Bill Gates, Mark Zuckerberg, Warren Buffet etc. hätten ihr Vermögen nicht ererbt, sie hätten es sich „erarbeitet“, hätten Erfindungen gemacht, Innovationen vorangetrieben, Produkte entwickelt, für die viele Menschen viel Geld auszugeben bereit waren. Nein, daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen, niemand macht ihnen daraus einen, sie haben Arbeitsplätze geschaffen, auch gut. Wer wollte das kritisieren, aber.....
Da es in Österreich ähnliche Fälle gibt, liegt es nahe an diese zu denken und nicht an Warren Buffet und Co.. Ich denke an Herrn Wlaschek, weil ich dessen Aufstieg seit Kindheitstagen zumindest aus der Ferne „miterlebt“ habe. Ich bin vielleicht das, was man sonst gerne einen „Zeitzeugen“ nennt.
Die Gründung der ersten Billa-Filialen sind mir noch gut in Erinnerung. Er ist reich geworden damit. Sehr reich. Er hat Arbeitsplätze geschaffen, sehr viele Arbeitsplätze. Er hat ein Imperium aufgebaut, währenddessen andere mit derselben Idee gescheitert sind.
Aber, und das müsste sich auch Herr Ortner fragen, wenn er seinem Ruf als kritischer Journalist gerecht werden wollte, wie war das möglich?
Antworten darauf zu geben ist nicht leicht.
Sicher braucht man etwas Glück , einen ausgeprägten Wirtschaftsverstand, Arbeitseifer, ein günstiges staatliches Umfeld in Form von Wirtschaftsförderung, eine günstige Steuergesetzgebung, vielleicht eine staatlich geförderte Grundlagenforschung durch öffentliche Universitäten u.v.a.m. auf das sich der Unternehmer stützen kann. Davon, dass es mit den Steuergesetzen hinsichtlich (internationaler) Großkonzerne nicht zum Besten steht, soll hier nicht die Rede sein. Wovon aber schon die Rede sein muss, ist die Tatsache: dass das Schaffen dieses Reichtums, bei all den persönlichen Verdiensten, die niemandem abgesprochen werden sollen, immer auch auf der Mitarbeit unzähliger Menschen beruht, die wiederum ihren Arbeitseifer, ihr „Gehirnschmalz“ einbringen. Und wenn davon die Rede ist, sollte man sich, wenn man als „kritischer Journalist“ gelten will, die Frage nicht ersparen, ob diese mitarbeitenden Hände und Gehirne, jemals ihren gerechten Lohn, in Form eines angemessenen Anteils am erwirtschafteten Gewinn erhielten oder ob sie über Jahre mit dem „Kollektiv-Lohn“ abgespeist wurden, trotz des bejubelten Geschäftserfolgs. Erst dann, wenn man diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten kann, sollte man Neid-Argumente bemühen oder wie Herr Ortner hier versucht, die zugegeben wenig aussagekräftigen , statistischen Halbwahrheiten anderer dazu benützen, berechtigte Diskussionen mit einem vordergründigen „Lynch-Vorwurf“ abzuwürgen helfen.
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