Ich bin auf Reisen; der nachfolgende Bericht aus Trier soll Reise-Interessierten Lust machen, wieder einmal auch auf meinem Blog "Reisejournal eines Müßiggängers" https://soziologica.wordpress.com/ Nachschau zu halten.
Wir sind das Donautal flußaufwärts unterwegs und wollen letztlich Belgien besuchen.
Wir fahren weiter über Heilbronn, Heidelberg, Worms und erreichen nach etwa 350 Kilometern, was für uns ca. fünf Stunden Fahrzeit bedeutet, unser nächstes Ziel: Trier.
Während ich im lieblichen Rothenburg auf Schritt und Tritt doch auch an die dunkle Vergangenheit der Nazi-Ära erinnert wurde, erwartet mich in Trier ein anderer historischer Anknüpfungspunkt, denn Trier ist die Geburtsstadt von Karl Marx, der in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag feiern würde.
walter schrittwieser
Karl Marx gilt bekanntlich als Begründer des Kommunismus, insofern gibt es eine geistige Verwandtschaft zu Rothenburg. Während Rothenburg mich also an die „Nationalen Sozialisten“ erinnerte, erinnert Trier und Marx an die „Internationalen Sozialisten“. Die fanatische Verwirklichung beider Ideologien, hat Millionen von Menschen das Leben gekostet.
Die Stadt hat sich gut auf diesen Geburtstag vorbereitet. Das ganze Jahr über gibt es ein Programm, das diesem berühmten Sohn der Stadt, gerecht zu werden trachtet. Das „Karl-Marx-Haus“ wurde fein herausgeputzt.
Es soll hier keine explizite „Würdigung“ dieses historisch bedeutenden Philosophen vorgenommen werden, das muss ich philosophisch Befähigteren überlassen; zudem würde ein solches Vorhaben den Rahmen eines Reisejournalbeitrags sprengen; sich ein paar seiner grundlegenden Gedanken zu vergegenwärtigen, dafür sollte aber doch Platz und Zeit sein.
Karl Marx (1818 – 1883)
Wikipedia
„Kaum eine Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts ist heute noch so bekannt, aber auch so umstritten und missverstanden wie Karl Marx.“ (Foldertext für die große Landesausstellung des Rheinischen Landesmuseums Trier)
Bei jeder „Würdigung“ des Marx’schen Denkens ist zu berücksichtigen, dass seine Analysen sich in erster Linie auf die sozialen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts beziehen. Die Not und das Elend der Arbeiter waren zu seiner Zeit wirklich erschreckend. Unterbringung in Elendsquartieren, Kinderarbeit, keine Krankenversicherung, kein Kündigungsschutz, keine Gewerkschaften, an bezahlte Urlaube wagte damals ohnehin niemand zu denken. Diese katastrophalen sozialen Zustände zu verbessern, war sein Anliegen. Die Philosophen hätten die Welt bisher nur unterschiedlich interpretiert, soll er gesagt haben, es gelte nun, sie zu verändern. Einen Hinweis darauf, auf welche Art und Weise Marx diese Veränderung der Verhältnisse herbeizuführen gedachte, findet sich in einem Artikel von ihm in der Neuen Rheinischen Zeitung des Jahres 1848.
„Der Kannibalismus der Konterrevolution selbst wird die Völker überzeugen, dass es nur ein Mittel gibt, die mörderischen Todeswehen der alten Gesellschaft, die blutigen Geburtswehen der neuen Gesellschaft abzukürzen, zu vereinfachen, zu konzentrieren, nur ein Mittel – den revolutionären T e r r o r i s m u s .“ ***
Andere sehen ihn wieder als demokratischen Humanisten, der die Verbrechen, die später (weltweit) auch in seinem Namen geschahen, nie gut geheißen hätte.
Als wissenschaftlich arbeitender Philosoph habe er Hegel (1770- 1831), den maßgeblichen Vertreter des deutschen Idealismus, vom Kopf auf die Beine gestellt.
Ich will im Folgenden versuchen in möglichst einfacher Weise darzustellen, was damit gemeint ist: Hegel ging mehr oder weniger davon aus, dass die Menschen eine „Idee“ davon haben wie die Wirklichkeit gestaltet sei und dass diese Wirklichkeit ( die Lebensverhältnisse) dann auf Grund dieser Ideen und Werte in einer Art „Rückkoppelungsprozess“ geformt werde.
Marx drehte, angeregt durch die Analyse der (Arbeits-)Wirklichkeit Englands, im Besonderen des Manchester Liberalismus, diesen Gedankengang um. Für ihn galt, dass man von der Wirklichkeit, also von den gegebenen sozialen Verhältnissen, ausgehen müsse; diese seien es, die unsere Ideen und Werte formen. Korrekt ausgedrückt: er vertrat die Meinung, die Produktivkräfte und die Produktionsverhältnisse (als „Basis“) würden den „Überbau“ (die Ideen und Werte) gestalten.
Unbestritten ist wohl, dass Marx ein exzellenter Analytiker der wirtschaftlichen Zustände war. Umstritten sind die Schlussfolgerungen, die er daraus zog. Tatsächlich geirrt hat er sich – zumindest nach Ansicht seiner Gegner – in seinen „Prognosen“ wie sich die Menschheit in Zukunft entwickeln werde. Er ging davon aus, dass es wegen einer maximalen Kapitalakkumulation zu einer totalen Verelendung der Arbeiterklasse kommen werde, was wiederum notwendigerweise in eine Revolution münde.
Nun, die Geschichte ist noch nicht an ihr Ende gekommen, so dass ein endgültiges Urteil darüber zu fällen, m. A. nach immer noch zu früh ist, dass aber die fortschreitende Kapitalakkumulation tatsächlich ein gravierendes wirtschaftliches Problem darstellt, kann man – besieht man die aktuellen Verhältnisse – wohl mit Recht behaupten. Seine These, dass die Menschheit sich gesetzmäßig entwickle, und zwar immer von einer Sklavenhaltergesellschaft, über eine Feudalherrschaft zum Kapitalismus und weiter zum Kommunismus, hat sich, wie die Erfahrung zeigt, bereits selbst widerlegt.
Lassen wir es damit genug sein, obwohl es noch viel zu sagen gäbe über diesen interessanten Mann.
Trier hat noch mehr zu bieten als das Phänomen Karl Marx. Wir machen einen Stadtrundgang: Es gibt wirklich viel zu sehen in Trier. Ein römisches Amphitheater, die Liebfrauenkirche, das Dreikönigenhaus (siehe unten) noch vieles andere mehr.
Die 6,4 Kilometer lange Stadtmauer und das bis heute erhaltene nördlichen Stadttor, die Porta Nigra zeugen vom Reichtum und von der großen Bedeutung, die die Stadt bis zum Ende des 2. Jahrhunderts erlangte.
….und das kleine Schlösschen mit seinem Garten in der Nähe der Kaiserthermen lädt zum Ausrasten ein.
Übrigens: Die Stadt wurde vor mehr als 2000 Jahren unter dem Namen Augusta Treverorum (ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts nannte man sie Treveris) gegründet und beansprucht den Titel „älteste Stadt Deutschlands“ für sich. Böse Zungen behaupten aber, sie wäre neben Berlin die kriminellstes Stadt Deutschlands. Davon haben wir zum Glück nichts bemerkt.
Ein Besuch speziell in diesem Jahr lohnt sich vor allem dann, wenn man mehr über Karl Marx erfahren will.
*** „Sieg der Konterrevolution zu Wien“, „Neue Rheinische Zeitung“ vom 7. November 1848) („Infernalischer Hass auf alles und jeden – Hate speech im Werk von Karl Marx, zit. nach Michael Kolonovsky in „eigentümlich frei“ vom 17. Mai 2018. Quelle: https://ef-magazin.de/2018/05/17/12805-hate-speech-im-werk-von-karl-marx-infernalischer-hass-auf-alles-und-jeden